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Bild: Torsten Bogdenand / pixelio.de
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Sein "Kristallnacht-Tweet" wurde über die Landesgrenzen hinaus berühmt und hat in den Medien einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Trotzdem ist A. M. nicht irgend ein Dummkopf. Er ist Kreditanalyst, war bei einem internationalen Finanzunternehmen tätig und wurde vom Volk in ein politisches Amt gewählt. Er sollte in Kommunikation, Rhetorik und im Umgang mit Medien so weit geschult sein, dass ihm ein solcher GAU nicht passieren dürfte. Umso erstaunlicher ist es, dass er selbst die grundlegenden Regeln für Social Media ignoriert hat.
Es wäre jetzt aber zu billig, mit dem Zeigfinger auf ihn zu zeigen. Wer Social Media nutzt, stellt einen Teil seines Lebens und Denkens ins Schaufenster und wird so angreifbar.
Inhalt mehrerer Tweets inakzeptabel
Nicht zu diskutieren brauchen wir über den Inhalt seiner Tweets. Gleich mehrere seiner Posts waren inakzeptabel, nicht nur der berühmte Kristallnacht-Tweet. Diese lassen sich meiner Meinung nach auch nicht mit dem Recht auf freie Meinungsäusserung rechtfertigen. Dafür hat er gebüsst, indem er seinen Arbeitsplatz verloren hat und aus seiner Partei austreten musste. Sein Amt als Schulpfleger sistiert er gemäss Medienkonferenz vom 27.06.12 während der Dauer des Verfahrens. Es ist allerdings offen, ob ihm der Bezirksrat das Amt nicht sowieso entzieht.
Lehre für uns alle
Uns allen, die wir Social Media nutzen, zeigt dieses Beispiel eindrücklich, wie schnell uns eine unbedachte Äusserung in Teufels Küche bringen kann. Twitter ich kein Stammtisch. Dort ist der Kreis der Zuhörer nämlich klein und man kann davon ausgehen, dass nur Gleichgesinnte zuhören.
Bei Twitter lesen mehrere Dutzend bis mehrere Tausend, was man schreibt. Dies sind keineswegs nur Gleichgesinnte, und dank Retweets werden besondere Nachrichten schnell weit über Followergrenzen hinaus verbreitet.
Es müssen nicht, wie im Fall A. M., juristisch grenzwertige oder strafbare Äusserungen sein. Auch scheinbar Banales kann zum Bumerang werden. Wer zum Beispiel während Meetings Tweets absetzt, braucht sich nicht zu wundern, wenn diese beim nächsten Qualigespräch zum Thema werden. Oder wenn der Tweet über die stinkende Bürokollegin dank einigen Retweets plötzlich in der Timeline eben dieser Kollegin auftaucht, möchte ich nicht derjenige sein, der den Originaltweet geschrieben hat.
Massstab: Mein Umfeld und der zukünftige Chef
Bei Äusserungen auf Twitter (oder hier in meinem Blog) habe ich immer mein Umfeld und meinen (imaginären) zukünftigen Chef vor Augen. Ich frage mich:
- Stelle ich jemanden bloss oder verletze ich jemanden?
- Gefährde ich meine Stelle?
- Löst ein Tweet bei Familie und Freunden Unverständnis aus?
- Könnte mir eine zukünftige Stelle oder ein Auftrag, den ich gerne hätte, wegen einer öffentlichen Äusserung verwehrt bleiben?
- Könnten meine Kinder unter einem Tweet leiden (auslachen, hänseln...)?
- Könnte jemand wegen meines Tweets Ärger bekommen?
Spontanität versus Sorgfalt
Trotzdem finden sich unter meinen Tweets bestimmt auch welche, die nicht lupenrein sind. Twitter ist ein spontanes, schnelllebiges Medium. Viel zu schnell lässt man sich zu einem unbedachten Tweet oder launischen Spruch hinreissen.
Ich selber folge einer breitgefächerten Twitterschar, quer durch alle Parteien, Berufsgruppen und Meinungen. Mindestens zwei dieser Twitterer verbreiten immer mal wieder heikle Tweets. Wären sie Politiker, hätten sie schon öfters einen Shitstorm der gleichen Qualität wie A. M. ausgelöst. So stelle ich mir nur immer wieder die Frage, ob ich ihnen weiterhin folgen soll oder nicht.
Noch einmal: Der Inhalt mehrerer Tweets von A. M. ist unterirdisch, möglicherweise gar illegal (das prüft zurzeit die Staatsanwaltschaft). A. M. ist hart auf dem Boden der Realität gelandet. Wir sollten nicht zusätzlich noch auf ihm herumtrampeln.
Weder A. M. noch seine Parteizugehörigkeit sind denn auch wichtig für diesen Blogpost. Er führt uns aber vor Augen, dass man auch mit wenigen Zeichen seine ganze Karriere zerstören kann.
Auch wenn ich weder mit seinem Gedankengut noch mit seiner (ehemaligen) Partei sympathisiere: Ich wünsche A. M., dass er wieder auf die Beine kommt und im Beruf wieder Fuss fassen kann.
Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.
AntwortenLöschenGuten Tag Herr Mostinder, ich habe Ihren Artikel gelesen und möchte Sie auf einen Artikel von mir hinweisen, der Ihnen aufzeigt wie die Kristallnacht-Geschichte in die Medien kam:
AntwortenLöschenhttp://www.dailytalk.ch/wie-der-kristallnacht-tweet-in-die-medien-kam/
Eine Demokratie erfordert eine grenzenlose Meinungs- und Informationsfreiheit. Meinungsverschiedenheiten sind im Dialog und argumentativ zu klären. Diese ist übrigens ein Menschenrecht. Ich lasse mir meine Meinung nicht von einem Arbeitgeber verbieten, denn ich bin ein freier Mensch und kein Höriger.Zu einer offenen Unternehmenskultur mit modernem Menschenbild gehört es übrigens, dass Mitarbeiter offen miteinander kommunizieren und ihre Meinung sagen dürfen. Ein guter Vorgesetzter kann damit umgehen.
Im übrigen wurde meine Aussage bewusst aus dem Kontext gerissen um mir zu schaden. Für mich sind extreme Islamisten mit Faschisten vergleichbar. Ich habe mich über einen Islamisten geärgert, der Vergewaltigung in der Ehe mit der Scharia legitimiert.
Guten Tag Herr Müller
LöschenIch danke für Ihre Rückmeldung auf meinen Blogpost. Der Kristallnacht-Tweet war für mich nur ein Aufhänger, um mal wieder grundsätzlich über die Gefahren von Facebook, Twitter & Co. nachzudenken (siehe auch zweitletzer Abschnitt).
Egal, ob Meinungsfreiheit gilt und ob diese grenzenlos ist: Es kann sein, dass andere aus einem Post ein Katapult bauen, mit dem man den Autor aus Job und Ämtern schiesst. Möglich, dass sich die juristische Beurteilung nicht mit dem Schnellschuss der Chefs deckt, aber dann ist der Schaden bereits angerichtet.
Ich habe bewusst die Initialen verwendet, obwohl der Name ja zur Genüge durch die Presse geschleppt wurde. Mir geht es nicht um die Person, sondern um die Lektion, die wir lernen können. Jedem von uns, die Social Media nutzen, kann ein solcher GAU passieren.
Der letzte Abschnitt meines Blogposts ist denn auch ehrlich und von ganzem Herzen gemeint.