Mittwoch, 8. Februar 2012

Buchpreisbindung: Alles Käse oder was?

© Netti69 / pixelio.de

Jedes Jahr müssen mehrere dutzend Landwirtschaftsbetriebe schliessen, weil sie nicht mehr rentabel sind. Gleichzeitig gibt es nicht mehr in jedem Dorf eine Verkaufsstelle für Milch, Käse und andere Milchprodukte. Um die Misere zu lösen, soll ein fixer Milchproduktpreis geprüft werden.

Heute bezahlt man für einen Liter Milch, je nach Geschäft, zwischen CHF 1.20 und CHF 1.80. Vor allem in kleinen Läden bezahlt man häufig mehr als im Discounter. Gleichzeitig beklagen sich Bauern darüber, dass sie die Milch kaum noch kostendeckend produzieren können. Eine Fixierung der Preise aller Milchprodukte scheint die beste Lösung zu sein. Die Milchverarbeiter dürfen die Preise bestimmen.

Milchprodukte überall gleich teuer
Dank den fixen Milchproduktpreisen bezahlen alle Kunden für ein bestimmtes Produkt überall in der Schweiz gleich viel. Für die Landenbesitzer entfällt das lästige Kalkulieren von Preisen, einzig im Einkauf müssen sie vergleichen. Es kann durchaus sein, dass der eine Lieferant gewisse Produkte einige Prozent günstiger anbietet als sein Mitbewerber.

Nicht alle Akteure sind glücklich
Der Bauer hat leider nichts vom fixen Milchproduktpreis. Der Milchverarbeiter wird den Preis vorgeben, zu welchem er die Milch übernimmt.
Als kaufmännisch geführtes Unternehmen wird der Milchverarbeiter versuchen, möglichst günstig einzukaufen und möglichst teuer zu verkaufen. Egal, ob der Ladenbesitzer an einen fixen Verkaufspreis gebunden ist oder ob er den Verkaufspreis frei kalkulieren darf: Der Zwischenhändler agiert immer gleich.
Bei den Ladenbesitzern ist das Bild nicht einheitlich. Während die Discounter für Milchprodukte plötzlich mehr verlangen müssen, als sie eigentlich bräuchten, können andere Läden nicht mehr den Preis verlangen, den sie haben müssten, um alle Kosten zu decken. Für sie wird der Verkauf von Milchprodukten zum Verlustgeschäft.

Unterstützung indiviuell prüfen
Wenn wir anerkennen, dass Milchprodukte wichtig sind in unserem Land, und wenn wir gleichzeitig feststellen, dass der Markt nicht funktioniert, müssen wir regulierend eingreifen. Wir müssen bei allen an Produktion und Vertrieb Beteiligten individuell prüfen, wo sie welche Unterstützung brauchen:

Bauern und ihre Kühe: Ohne sie gibt es keine Milch. Wenn wir Milchprodukte wollen, müssen wir sie besonders im Auge behalten. Wie wir oben festgestellt haben, verbessert ein fixierter Endverkaufspreis ihre Situation nicht. Hier müssen wir mit Direktzahlungen unterstützen (die Bedingungen müssten noch bestimmt werden) oder einen Mindestpreis festsetzen, zu welchem der Landwirt seine Milch an den Verarbeiter verkaufen kann.

Milchverarbeiter: Die Bauern könnten ihre Milch auch direkt vermarkten. Die Herstellung von Käse, Joghurt, haltbarer Milch, usw. gehört aber nicht zur Kernkompetenz des Landwirts, dies muss der Milchverarbeiter übernehmen. Möglich, dass kleine einheimische Betriebe öffentliche Unterstützung benötigen, um lokale Bedürfnisse abzudecken. Auch hier muss die Unterstützung gezielt passieren, nicht mit der Giesskanne.

Händler / Ladenbesitzer: Wir müssen uns einig werden, ob wir in jedem Dorf oder Weiler eine eigene Verkaufsstelle für Milchprodukte brauchen. Wahrscheinlich ist es zumutbar, dass man einen kleinen Weg unter die Räder nimmt, um zu Milch zu kommen. Je nach Gebiet sind alternative Vertriebskanäle zu prüfen (Hauslieferung, mobiler Händler mit einem Verkaufslastwagen, ...).

Fazit
Ein fixer Milchproduktpreis löst das Problem offensichtlich nicht. Wenn aber klar ist, welche Ziele man erreichen will und wen man genau unterstützen möchte, kann man gezielt fördern.
  • Wollen wir möglichst viele Bauern oder sollen nur die von der Milchproduktion leben können, die eine bestimmte Menge oder Qualität herstellen können?
  • Was ist der Job der Milchverarbeiter? Sollen sie frei entscheiden können, was sie produzieren und so womöglich nur gut verkäufliche Massenware auf den Markt bringen? Oder sollen sie gezwungen werden, auch Nischenprodukte herzustellen (evtl. unter Vergütung des dafür nötigen Aufwands).
  • Welche Vertriebskanäle wollen wir? Soll in jedem Dorf ein Milchlädeli stehen mit einer riesigen Käsetheke, an welcher sowohl Emmantaler und Tilsiter als auch Hinterwäldler Schafkäse erhältlich ist? Oder reicht es wenn in kleineren Orten ein Laden steht, der vakumierte Käseabschnitte anbietet und auf Wunsch Spezialitäten bestellen kann? Müssen Leckerbissen überall gleich viel kosten oder versteht der Konsument, dass ein Produkt in einem Geschäft mit grosser Auswahl und guter Beratung etwas teurer ist als bei einer Bestellung übers Internet?
  • Kann der Absatz eines Produktes über einen fixierten Verkaufspreis gefördert werden? Wird ein bestimmter Käse eher verkauft, wenn er überall gleichviel kostet oder gibt es wichtigere Gründe, ihn in den Einkaufkorb zu legen (Geschmack, Konsistenz, ...)? Wird ein Discounter ein Nischenprodukt ins Sortiment aufnehmen, nur weil er es zum gleichen Preis verkaufen kann wie das Spezialitätengeschäft? - Oder führt der Discounter sowieso immer nur gut absetzbare Massenware, egal, ob der Verkaufspreis frei oder fixiert ist?

Aufgabe:
Ersetze
  • Bauer durch Autor
  • Milchprodukte durch Bücher
  • Milchverarbeiter durch Verlag
  • Milchladen durch Buchhandlung
und prüfe, ob ein fixierter Endverkaufspreis mit den neuen Wörtern mehr Sinn macht als mit den alten.
Wenn nein: Lasst uns zielführendere Wege finden, um die Vielfalt in der Welt der Bücher zu sichern. Wer Bücher liebt, wie ich, will verhindern, dass der Buchhandel an fixierten Endverkaufspreisen zugrunde geht.

Ich habe viele Jahre im Buchhandel (Zwischen- und Endhandel) gearbeitet. Ich kenne das Geschäft und weiss deshalb, weshalb ich gegen die Buchpreisbindung bin.

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