Dienstag, 7. Februar 2012

Statt Buchpreisbindung: Buchhandlungen fit machen

        © Benjamin Thorn / pixelio.de

Buchhandlungen müssen seit einigen Jahren in einem harten Umfeld bestehen. Der Schweizerische Buchhändler- und Verlegerverband SBVV sucht das Heil in vorgeschriebenen Verkaufspreisen für Bücher. Besser wäre es, er würde seine Mitglieder für die kommenden Herausforderungen fit machen.

Bis 2007 gab es in der Schweiz die Buchpreisbindung, der Verlag gab den Endverkaufspreis für einen Titel verbindlich vor. Der Buchhändler musste keine Preise kalkulieren, und weil dieses System so bequem war, wurden auch Titel zu unverhandelbaren Fixpreisen verkauft, die gar nicht unter die Buchpreisbindung fielen (z.B. englische Titel).

Kleine Buchhandlungen in Schieflage
Bereits zu Zeiten der Buchpreisbindung hatten es kleine Buchhandlungen schwer. Grosse Ketten eröffneten zum Teil mehrstöckige Büchereinkaufszentren, andere konzentrierten sich auf Bestseller. Viele traditionsreiche, kleine Buchhandlungen mussten schliessen.
Die Aufhebung der Buchpreisbindung entschärfte das Problem nicht. Die Grossbuchhandlungen und Bestsellerschleudern kalkulierten ihre Preise neu, konnten gut laufende Titel günstiger anbieten und verdienten das Geld mit der abgesetzten Masse. Kleinere Buchhandlungen mit guter Beratung konnten trotz vergleichsweise höherer Preise bestehen. Einige Buchhandlungen mussten leider schliessen.

Preis nicht ausschlaggebend
Die Befürworter der Buchpreisbindung argumentieren, dass festgeschriebene Preise die kleinen Buchhandlungen vor zerstörerischem Preiskampf schützen würden. Dabei verschweigen sie, dass bereits vor dem Fall der Preisbindung ein "Lädelisterben" stattgefunden hatte. Die Preise können also nicht alleine Schuld sein.
Ich sehe die Gründe vielmehr bei den Einkaufsgewohnheiten der Kunden. Es sind längst nicht mehr nur Freaks, die übers Internet einkaufen, es ist die breite Masse. - Und je mehr Einkäufe online getätigt werden, desto weniger "Offline-Einkaufsmöglichkeiten" braucht es. Dies betrifft sämtliche Bereiche: Elektronik, Möbel, Reifen, Lebensmittel und eben auch Bücher. Ein Lädelisterben ist die Folge, und die lässt sich nicht mit festen Verkaufspreisen aufhalten.

Bücher brauchen kein Ladengeschäft
Im Gegensatz zu Winterreifen oder Lebensmitteln muss ein Buch nicht physisch vorhanden sein. Ein Download auf einen Reader reicht. Gleichzeitig setzen immer mehr junge Autoren auf das Modell "Book on Demand (BoD)". Hier wird das Buch erst bei einer Bestellung gedruckt, gebunden und direkt ab Druckerei/Buchbinderei an den Leser geschickt. Bei beiden Modellen verhindert die Buchpreisbindung nicht, dass die Buchhandlungen immer weniger Kunden haben.

SBVV setzt auf das falsche Pferd
Der Vertrieb von Literatur verlagert sich immer mehr weg von der klassischen Buchhandlung. Der Ferienkrimi wird auf das Kindle geladen, Jungautoren vertreiben ihre Werke über BoD und statt eines 20bändigen Lexikons googelt man neues Wissen.
Und wie reagiert der SBVV auf diese Entwicklung? - Er fordert fixe Buchpreise. Glaubt jemand ernsthaft daran, dass auch nur ein einziger Kunde seinen E-Book-Reader weglegt, wenn ein gedrucktes Buch zum gleichen Preis erhält wie die Datei? Quatsch! Wer lieber einen leichten Reader mit in den Urlaub nimmt als 5 Bücher, wird das auch in Zukunft tun.
Selbst wenn der SBVV die Abstimmung gewinnen sollte, löst er das Problem der kleinen Buchhandlungen nicht. Im Gegenteil.

Innovation statt veraltete Modelle
Nur innovative Händler werden im Markt bestehen. Das sind Buchhandlungen, die eine sehr gute, individuelle Beratung anbieten und gleichzeitig an den Markt angepasste Ideen umsetzen. Hier einige Ideen von mir (einem ehemaligen Lehrlingsausbildner in einer Buchhandlung):
Konzentration auf eine Sparte: Diese Idee ist nicht neu, kann aber funktionieren. In Zürich existiert zum Beispiel seit vielen Jahren der Erotic Book Store. Andere Händler konzentrieren sich auf Comics, französische Literatur, ...
Patenschaft für junge AutorInnen: Begleitet junge Autoren, indem ihr ihre Bücher im Sortiment habt und ganz gezielt Werbung macht für sie. Organisiert Lesungen, gebt ihnen eine Bühne. Richtet eine Sitzecke ein, wo die Autoren vorbeischauen, einen Kaffee trinken, mit Kunden diskutieren und nebenbei eine Widmung ins eben erworbene Buch schreiben. Macht die Buchhandlung zum Paradies für Entdecker neuer Schreiber!
Gezielt Rabattaktionen durchführen: Auch das keine neue Idee, aber mit der Buchpreisbindung nicht möglich. Nur ohne Buchpreisbindung könnt ihr vor den Sommerferien, wenn das Geschäft sowieso flau ist, versuchen, eine schöne Masse Bücher abzusetzen, indem ihr Ferienrabatt gewährt. Auch Geburtstags-, Muttertags-, Kälte- und andere Rabatte sind nur ohne Buchpreisbindung möglich. Mit Buchpreisbindung ist jede Form von Rabatten verboten.

Förderung statt Blockade
Statt eines teuren Abstimmungskampfes würde der SBVV das Geld besser in die Weiterbildung seiner Mitglieder stecken. Die Buchhändler sind Fachleute rund ums Buch, aber die wenigsten von ihnen sind Marketingprofis. Hier muss der SBVV ansetzen. Nicht in der Durchsetzung veralteter Ideen, die in der heutigen Zeit nicht mehr funktionieren.

Ich habe viele Jahre im Buchhandel (Zwischen- und Endhandel) gearbeitet. Ich kenne das Geschäft und weiss deshalb, weshalb ich gegen die Buchpreisbindung bin.

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